Seit Jahren immer wieder die gleiche Nachricht: Die Einkommen in Deutschland driften weiter auseinander. Reiche werden reicher, Arme bleiben arm. Und die dazwischen kämpfen darum, das Erreichte überhaupt zu halten. Auch hierbei waren die USA wieder einmal Trendsetter. Vielleicht haben deshalb auch amerikanische Psychologen genau hingeschaut und untersucht, wie Geld die Psyche verändert. Was sie herausfanden, hat Auswirkungen auf die Gesellschaft in der wir leben…
Eine Unterhaltung in der Warteschlange
Es ist mehr als fünfzehn Jahre her und ärgert mich noch heute.
In einer Warteschlange wurde ich notgedrungen Zeuge einer Unterhaltung zweier junger deutscher Manager. Hinter mir stehend unterhielten sie sich recht laut über Halbprivates und Berufliches, beide hatten karrieretechnisch offenbar schon recht viele Sprossen ins leitende Management erklommen. Nach und nach entwickelte sich das Gespräch in Richtung der damaligen wirtschaftlichen Situation. Einhellig prophezeiten sie Deutschland den Niedergang. Alles wäre zu sehr reglementiert, freie Marktkräfte hätten keine Chance, die Steuern wären viel zu hoch und überhaupt sähen sie für sich nur noch in den USA eine Perspektive. Dort wäre ja sowieso alles besser.
Mir raubte diese Undankbarkeit fast den Atem.
Beide hatten dem Gespräch zufolge ihre Ausbildung in Deutschland genossen. Kostenlos, da alles der geschmähte Staat bezahlte, finanziert aufgrund der Solidarität (und der Steuern) ihrer Mitbürger. Für Abitur und Universitätsabschluss von jedem der beiden zahlten ihre Mitbürger je rund 120.000 € – vielleicht sogar mehr, falls einer darüberhinaus Bafög benötigte.
Dies kam den Beiden offenbar gar nicht in den Sinn. Sie sahen ihre Situation als vollkommen selbstverdient an. Hatten ja ihre üppige Starthilfe längst in der Tasche. Berücksichtigten nicht, dass sie in den USA letztlich auch davon profitieren würden, dass hunderttausende jugendliche US-Bürger auf ein Studium verzichten müssen. Allein aus wirtschaftlichen Gründen, obwohl diese eigentlich qualifiziert wären.
Das Monopoly Experiment
Seither geht mir dieses unfreiwillig belauschte Gespräch nicht mehr aus den Kopf. Es stellt sich mir immer wieder die Frage: Wie gelingt es Menschen, erhaltene Förderung und Hilfe derart vollständig zu verdrängen?
Ziemlich genau in diese Richtung gehen Forschungen, die ein junger Wissenschaftler und sein Team am Institute of Personality and Social Research der University of California in Berkeley durchführen. Sozialpsychologe Dr. Paul K. Piff untersucht mit interessanten und verblüffend einfachen Experimenten den Einfluss von Geld und Besitz auf das menschliche Verhalten. Eine Kurzeinführung in seine Untersuchungen bietet er in seinem sehenswerten TED-Vortrag „The science of greed“ (Wissenschaft von der Habgier). Einige seiner Veröffentlichungen kann man auf seiner Webseite als PDF herunterladen.
Hier das auf meine Frage passendste Experiment in Kürze:
Zwei Spieler sollten Monopoly mit leicht abgewandelten Regeln gegeneinander spielen. Ihre jeweilige Rolle wurde durch Münzwurf (Chance 50:50) festgelegt.
Der erste Spieler (arm) spielte nach normalen Regeln. Der zweite (reich) erhielt vor Beginn an doppelt so viel Geld, durfte jeweils doppelte Mieten verlangen, bei jedem Durchgang über Start die doppelte Summe einstreichen und diese kassierte er im Durchschnitt auch doppelt so häufig, weil er statt einem, zwei Würfel einsetzen durfte. Jedem, der Monopoly kennt ist vorab klar, wer bei solchen Regeländerungen gewinnen muss.
Abschließend sollten die (von Anfang an reichen) Gewinner die Gründe für ihren Sieg erläutern. Dabei verdrängten sie vollkommen, dass letztlich der Münzwurf und die dadurch bedingten Vorteile ihren Sieg bewirkten. Sie ließen sich vielmehr über die Art und Weise aus, wie sie welche Grundstücke wo strategisch kauften und so letztlich auch völlig verdient gewannen.
Wenn bereits imaginärer Reichtum in einem Gesellschafts-Spiel dazu führt, dass man dazu neigt ungerechte Startbedingungen auszublenden, wundert es nicht mehr, dass die beiden von mir seinerzeit belauschten Manager einen reichlich verzerrten Blick auf die Grundlage ihres Erfolges hatten.
Reichtum macht gierig – Gierige werden reich
Piff zeigt in einer ganzen Reihe von interessanten Experimenten, dass nicht nur virtueller Reichtum in einem Experiment, sondern auch der soziale Status in der realen Welt unsere Einstellung zur Umwelt und damit unser Verhalten verändern kann. Je höher der soziale Status, desto unsozialer das beobachtete Verhalten. Fahrer teurer Autos bremsten an Zebrastreifen seltener für Fußgänger und fuhren auch sonst im Verkehr rüpelhafter. Reiche spendeten weniger an Bedürftige, und waren eher bereit, Regeln „kreativ“ auszudehnen. Sie stahlen sogar Bonbons, die für Kinder im Nebenraum reserviert waren. Und das nicht einmal mit schlechtem Gewissen, denn Habgier wurde von Probanden mit hohem Status sehr viel positiver beurteilt als vom Rest.
Geld macht frei könnte man meinen, frei jedenfalls von Rücksicht auf andere. Denn wer genug besitzt, meint Piff, benötigt seltener die Hilfe anderer und muss sich daher auch weniger rücksichtsvoll verhalten.
Reichtum und Politik
Geld macht aber auch mächtig und einflussreich. Nicht umsonst geht die Einkommensschere in den wichtigen Volkswirtschaften immer mehr auseinander ohne dass die Politik wirkungsvoll entgegensteuert.
Piff sieht aufgrund seiner Ergebnisse die Grundlage der amerikanische Gesellschaft gefährdet: den „American Dream“. Der besagt, dass jeder, der hart arbeitet, sozialen Aufstieg schaffen kann. Aber das geht bei ungerechten Spielregeln eben immer weniger.
Und doch möchte Piff auch Hoffnung vermitteln.
Denn im Experiment zeigte sich ebenfalls, dass bereits ein kleiner Anstoß ausreichen kann, z.B. ein kurzer Film über ein soziales Problem, die Bereitschaft einem völlig Fremden zu helfen signifikant zu erhöhen. Das gäbe laut Piff Hoffnung, dass auch Reiche umdenken könnten.
Und das belegen, so Piff, nicht zuletzt Reiche wie Bill Gates, die das Problemen schon früh erkannten und durch ihr persönliches und finanzielles Engagement versuchen aktiv gegen zu steuern.
Und es gäbe natürlich auch Reiche, die sich erst gar nicht umstellen müssten, weil sie sich immer schon korrekt und sozial verhalten haben.