Wenn selbst einer „vegetarischen“ Forelle noch etwas fehlt…

Wissenschaftler lösen ein Problem, das Fischzucht ermöglicht, ohne für das Futter die Meere plündern zu müssen. Ein großer Schritt für die Ernährung der Menschheit?
Ja, möglicherweise – aber auf jeden Fall ein Stolperstein fürs Marketing…. 

Bildrechte: Vladimir Rydl

Forellenfutter enthält zumeist Fischmehl. 

Wundermittel Omega 3

Vor ein paar Jahren waren Omega 3 Fettsäuren noch in aller Munde. Und das konnte man fast schon wörtlich nehmen, denn die Nahrungsmittelindustrie verkaufte uns diese Substanz als Wundermittel gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wo sie nicht enthalten waren, wurden sie womöglich beigegeben oder gleich als Wunderkapseln vertrieben.

Und das übertrieb man so gründlich, dass sich das Bundesamt für Risikoforschung 2009 sogar genötigt sah, Höchstmengen für einige dieser Fettsäuren zu empfehlen. Gesundheitsschäden drohten.

Gleich mehrmals in der Woche sollte man Meeresfisch essen, sich dadurch ein langes und gesundes Leben sichern. Und Fernsehköche übertrumpften sich auf allen Kanälen gegenseitig mit passenden Rezepten. Priesen die Vorzüge der ach so gesunden Ernährung.

Kollabierende Fischbestände

Das geschah in einer Situation, wo Greenpeace, WWF und Co. bereits seit Jahren dringlich mahnten, dass die hochtechnisierten Fangflotten durch ständige Überfischung auch die letzten Fischbestände der Meere zerstörten.

Auch Fischzucht war keine Alternative, denn viele der begehrten Zuchtfische sind Raubtiere. So auch Lachs und Forelle. Und die wurden wiederum mit Fischprodukten gefüttert: Pellets, überwiegend  aus Fischmehl, frisch aus den bald leergefischten Meeren.

In dieser Situation drehte ich für W wie Wissen einen Beitrag über einen Wissenschaftler, Dr. Alexander Brinker von der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden Württemberg in Langenargen. Dieser versuchte mit seinem Team zur Lösung dieses Dilemmas beizutragen und entwickelte ein Forellen- (und Lachs-)Futter aus rein pflanzlichen Rohstoffen.

Vor ein paar Tagen fand ich den Film tatsächlich noch im Netz:
Film: Die vegetarische Forelle  sowie als Übernahme bei nano (etwas bessere Bildqualität).

Das Thema ist im Prinzip noch aktuell. Denn die Meere sind immer noch überfischt und die großen Futterproduzenten sind alleine schon aus Kostengründen gezwungen, den vegetarischen Anteil im Fischfutter ständig zu erhöhen.

Du bist was du isst

Bei Fischen trifft der bekannte Spruch sehr genau zu, der besagt: „du bist was du isst“!
Denn jeder Stoff der ins Futter gelangt, findet sich später im Fleisch wieder oder verändert dessen Eigenschaften. Und daher galt es für die Wissenschaftler, die genaue Zusammensetzung des Fischmehls aus vegetarischen Quellen nachzubauen. Labortechnisch ist das kein Problem, für alle Fettsäuren und Inhaltsstoffe gibt es auch pflanzliche Quellen.

Allerdings wird es ziemlich vertrackt, wenn das Futter später für den Züchter nicht teurer sein darf als das mit Fischmehl vom Trawler. Denn hier geht es um Wirtschaftlichkeit, um jeden einzelnen Cent.

Sobald nicht mehr reine Substanzen sondern billige Futterrohstoffe aus der Landwirtschaft wie z.B. Sojamehl, Reste aus der Kartoffelverarbeitung o.ä. eingesetzt werden, bereiten die darin enthaltenen Beimengungen der Fischverdauung große Probleme, können zu Durchfall führen. Mit derart aufgelöstem Kot funktionieren allerdings die Filteranlagen der Zuchtanlagen nicht mehr. Folge: Nährstoffe überdüngen die Bäche, in die das Wasser aus den Zuchtteichen fließt.

Dieses Problem lösen die Wissenschaftler im Film. Nicht nur lässt sich der feste Kot bestens filtern und abfischen, die erwachsenen Forellen entsprechen auch in allen Eigenschaften exakt den herkömmlich in Fischzuchtbetrieben gehaltenen.
Umfangreiche Tests bestätigen, dass alle Testwerte gleich gut oder sogar besser sind.

Das „Problem“ der fehlenden Omega 3 – Fettsäuren

Alle Werte?
Nein für einen Wert mussten sich die Forscher von möglichen Anwendern kritisieren lassen: Ihre „vegetarischen“ Forellen weisen relativ niedrige Gehalte an Omega 3 Fettsäuren auf.
Diese sind aber mitnichten außergewöhnlich niedrig. Nein, sie entsprechen sogar ziemlich genau den Werten wild lebender Forellen aus dem Fluss. Etwa ein Zehntel des Gehaltes von Zuchtforellen.

Und das war die Crux:
Durch die übliche Fütterung mit Fischmehl aus dem Meer waren die Gehalte an Omega 3 Fettsäuren in Zuchtforellen teilweise sogar höher angestiegen als die von Meeresfischen. Dies hatte die Werbung natürlich begierig aufgegriffen. Und der Handel befürchtete nun, dass Forellen mit normalem Fettsäuregehalten den Verbrauchern als minderwertig erscheinen müssten.

Als wir die Dreharbeiten abschlossen erprobten die Wissenschaftler gerade, wie viel Fischmehl, oder gar teurere pflanzliche Ersatzstoffe, sie dem mühsam entwickelten vegetarischen Futter wieder beimengen müssten um das gewünschte „Qualitäts“-Merkmal „Mit Omega 3 Fettsäuren“ zu erreichen.

Verkehrte Welt!

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